IT-Strategieentwicklung in Zeiten von New Work

IT-Strategieentwicklung in Zeiten von New Work

Eine moderne IT-Strategieentwicklung sieht heute anders aus als noch vor 10 oder 20 Jahren. Noch nicht lange her, und das strategische Denken war meist ausschließlich dem leitenden IT-Management vorbehalten. Manchmal wurden auch Unternehmensberatungen damit beauftragt, die Zukunft der IT zu gestalten. Letzteres führte oft zu Akzeptanzproblemen und einer schleppenden Umsetzung. Mit einem deutlich partizipativeren Ansatz wird hier ein neuer Weg der modernen IT-Strategieentwicklung beschritten. Im Folgenden wird der neue Ansatz näher beschrieben. Die wesentlichen Änderungen und Vorteile gegenüber dem klassischen Ansatz aufgezeigt. Und schließlich gibt es einige praktische Tipps zur Anwendung.

Der Open Strategy Ansatz als Grundlage

Die partizipative IT-Strategieentwicklung greift den Ansatz von Open Strategy auf. Dieser wurde in den vergangenen 2 Jahren von den Professoren und Beratern Christian Stadler, Julia Hautz, Kurt Matzler und Stephan Friedrich von den Eichen  entwickelt (siehe auch Link).

Im Grunde geht es darum, den Strategieprozess zu öffnen, indem sowohl die eigenen Mitarbeiter als auch externe Dritte in die Strategieentwicklung und -formulierung einbezogen werden. Statt Strategien nur innerhalb von Management- und Beraterkreisen zu entwickeln, forcieren sie bewusst den Zugang zu anderen Wissensquellen. Beispielsweise die Einbindung von Frontline-Mitarbeitern, Kunden, Partnern und Lieferanten. Während bei der Unternehmensstrategie die Wettbewerbskritikalität ein hemmender Faktor ist, trifft dies für die IT-Strategieentwicklung nur bedingt zu. Dennoch ist festzustellen, dass IT-Strategien meist von IT-Führungskräften entwickelt werden, die häufig auf namhafte IT-Beratungen zugreifen. Die Durchführung von gemeinsamen und regelmäßigen Strategie-Workshops mit Mitarbeiter*innen aus den unternehmenseigenen Geschäftsbereichen, als auch bestehenden Dienstleistern und Partnern wird noch viel zu wenig genutzt. Allein innerhalb der IT Abteilung gehören neben den Führungskräften auch die IT-Fachkräfte frühzeitig eingebunden.

Die Vorteile einer partizipativen IT-Strategieentwicklung

Die Weisheit der vielen

Die IT-Strategieentwicklung sollte nicht auf einen kleinen Kreis von Topmanagern oder externen Beratern beschränkt sein. Je intensiver Geschäftsbereiche, Dienstleister und Mitarbeiter*innen beteiligt sind, desto vielfältiger sind die Ansätze und Ideen. Und dieses Prinzip gilt bereits bei der Analyse. Die häufige Nennung von Stärken, Schwächen, Chancen oder Risiken deuten auf eine hohe Relevanz hin. Auch wenn dies die eine oder andere Führungskraft nicht immer gerne sehen oder hören möchte. Führungskräfte tun aber gut daran, die Erfolgswahrscheinlichkeit einer IT-Strategie mit Hilfe der kollektiven Intelligenz zu erhöhen. Auch bestehende IT-Dienstleister können dazu beitragen. Sie sollten, aber dabei Ihre Verkaufsbrillen ablegen und die Kundensituation ohne Vorbehalte mitanalysieren. Wenn die User aus den Geschäftsbereichen als interne Kunden der IT gelten, so gilt es von offen zu kommunizieren, dass Ihre Argumente einfliessen werden ohne den Anspruch alles berücksichtigen zu können.

 

Vielfalt statt Engstirnigkeit oder das Dilemma mit dem Confirmation Bias

Wird die IT-Strategieentwicklung von einigen wenigen durchgeführt, können die Ergebnisse schnell in eine Richtung gehen. So stehen meist (abteilungsbezogene) Eigeninteressen einer erfolgversprechenden gemeinsamen IT-Strategie im Weg. Dieses Verhalten lässt sich auf den sogenannten Confirmation Bias zurückführen. Dabei sehen Mitarbeiter*innen in Führungspositionen ihre eigenen Überzeugungen durch andere bestätigt. Auf diese Weise werden selektiv Informationen ausgewählt, die zur eigenen Wahrnehmung passen.

Neue strategische Ausrichtungen beruhen aber auf Mut und dem Denken außerhalb gewohnter Muster.

Sowohl Externe, aber auch die Anwender*innen in den Fachabteilung, sowie die eigenen IT-Fachkräfte, die operativ eigebunden sind, sind wertvolle Lieferanten neuer Ideen oder Ansätze. Auch Mitarbeiter*innen, die neu im Unternehmen sind, können oft unvoreingenommen Denkanstöße einbringen, auch wenn diese nicht aus der IT stammen.

Eine größere Bereitschaft zur Umsetzung oder die Vermeidung des „Not-invented-by-us“-Denkens

Ein großer Vorteil der partizipativen IT-Strategieentwicklung ist, dass die Umsetzung seltener scheitert. Das liegt einfach daran, dass sich die beteiligten Mitarbeiter der IT- und Fachabteilungen auch für eine erfolgreiche Umsetzung verantwortlich fühlen. Veränderungen werden eher akzeptiert, wenn sie durch eigene Ideen herbeigeführt werden oder Anwender das Gefühl haben, dass strategische Entscheidungen nicht über Ihre Köpfe hinweg erfolgen. Dieses Verhalten beruht manchmal auch auf dem „Not-invented-by-us“-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine Abneigung, d.h. eine negative Einstellung gegenüber Ideen und Innovationen, die von außen an die IT-Belegschaft herangetragen werden. Je mehr und je früher die Mitarbeiter aus den betroffenen Unternehmensbereichen einbezogen werden, desto größer ist die Bereitschaft, die IT-Strategie zu akzeptieren und mitzutragen.

Realistische und konkrete Handlungsmaximen statt theoretische Abhandlungen

IT-Strategien, an deren Entwicklung die eigenen IT-Fachkräfte beteiligt waren, sind mit der Unternehmensrealität besser vereinbar. Außenstehende sind mit der aktuellen (politischen) Situation im Unternehmen nicht vertraut, wissen nichts von gerade getätigten IT-Investitionen und laufenden IT-Projekten oder sind einfach zu weit weg vom Tagesgeschäft. Letzteres wird gern als ein Hauptgrund für die Hinzunahme von Externen genannt, ergänzt mit einem Verweis auf eine möglicherweise vorherrschende Betriebsblindheit. Dies wird jedoch oft überbewertet. In vielen Fällen sind die eigenen Mitarbeiter durchaus in der Lage, sich von Betriebsblindheit zu befreien, wenn die Fragen entsprechend gestellt werden und sie keine Einmischung durch die anwesenden Vorgesetzten erfahren. Die von der eigenen IT-Belegschaft und Anwendern vorgeschlagenen Maßnahmen sind konkreter und greifbarer. Die Leute wissen genau, was getan werden könnte, auch im Detail, weil sie täglich mit den Prozessen und betrieblichen Fragen zu tun haben oder in direktem Kontakt mit internen und externen Kunden stehen.

Einfach ist nicht immer die beste Strategie, aber die beste Strategie ist immer einfach

Einfach und verständlich sollten zumindest die Mission und die Vision der unternehmensseitigen IT sein, die als Leitlinien die IT-Strategie widerspiegeln. Storytelling ist in der heutigen Welt ein wesentliches Instrument für erfolgreiche Kommunikation. Das gilt auch für die interne Unternehmenskommunikation der IT-Services gegenüber Fachbereichen. Je mehr IT-Mitarbeiter*innen an der Strategieentwicklung beteiligt waren, desto mehr Geschichten gibt es zu erzählen. Sowohl Manager als auch Experten neigen dazu, viele Anglizismen zu verwenden. Fachbegriffe, die gerade in aller Munde sind. Und so werden diese „Modewörter“ oft in die Strategieformulierung aufgenommen. Das fördert aber Missverständnisse bei den Mitarbeitern und konterkariert manchmal die eigentliche Botschaft dahinter. Strategien sind dazu da, dass alle sie nachvollziehen können und verstehen, was zu ihrer Umsetzung getan werden muss. Halten Sie sie in der Kommunikation einfach und finden Sie es frühzeitig heraus, indem Sie eigenen Mitarbeiter*innen als auch die Anwender*innen einbeziehen.

Erfüllt die Erwartungen einer neuen Generation

Der klassische Ansatz der IT-Strategieentwicklung steht auch im Widerspruch zu der neuen Arbeitswelt (New Work). Die Mitarbeiter wollen an der zukünftigen IT-Ausrichtung beteiligt werden. Und nicht von den Managern top-down zur Umsetzung vorgelegt bekommen. Es wäre auch fatal, die Meinungen und Ideen der Generation Z nicht zu berücksichtigen, denn sie arbeiten mit modernen IT-Anwendungen und Kommunikationsmedien, und haben ein ausgeprägtes technisches Interesse und sind offen und aufgeschlossen für neue technische Innovationen, die im eigenen Unternehmen zur Anwendung kommen könnte. Die Generation Z, kann somit wichtige innovative Impulse zur Entwicklung der IT-Strategie einbringen.

Praktische Tipps für eine partizipative IT-Strategieentwicklung

  1. Vertrauen Sie Ihre eigenen IT-Mitarbeiter*innen und beziehen Sie möglichst viele Anwender*innen aus verschiedenen Hierarchien und Geschäftsbereichen mit ein. Je vielfältiger die Zusammensetzung ist, desto vielfältiger und innovativer sind die Beiträge.
  2. Öffnen Sie in einem ersten Schritt den Strategieprozess für Ihre eigenen IT-Fachkräfte und Anwender. Dieser Schritt bringt bereits viele neue Erkenntnisse und Ideen. Die Einbeziehung von Dienstleistern und Partnern kann dann punktuell erfolgen, um die Ist-/Soll-Analyse zu verifizieren oder zu ergänzen.
  3. Setzen Sie auf bewährte strategischen Management-Instrumente, die einfach zu handhaben sind und aufeinander aufbauen. Es braucht nicht den neuesten ausgefeilten Frameworks, um gute IT-Strategien zu entwickeln. Die Strategieentwicklung darf nicht zu einer akademischen Übung werden, sondern muss schnell, intuitiv und ohne lange Einarbeitungszeit zu ersten konkreten Ergebnissen kommen.
  4. Nutzen Sie digitale Lösungen, um flexibel und unabhängig von Zeit und Ort an der IT-Strategie zu arbeiten. So können Sie auch Mitarbeiter*innen und Anwender*innen an internationalen Standorten erreichen und sind nicht an zeitlich begrenzte Workshops an einem Standort gebunden.
  5. Am besten geeignet sind digitale Plattformen, die speziell für die Strategieentwicklung im Team entwickelt wurden, wie z.B. ConWISE.de (Link zur Testversion). Online-Whiteboards und Kollaborationslösungen wie Miro und Mural bieten zwar viele Vorlagen, leiten die Nutzer aber nicht durch den Prozess und sind eher als Kreativitätswerkzeuge für Online-Meetings als für die eigenständige Offline-Arbeit konzipiert.
  6. Fordern Sie Dienstleister auf neutral sich einzubringen, um sicherzustellen, dass die Strategien innovativ sind und nicht zu einer Verkaufsveranstaltung der eigenen Leistungen wird.
  7. Nutzen Sie bei der Entwicklung Ihrer IT-Strategie Impulse von außen. Diese können auch von KI-basierten Systemen kommen.
  8. Seien Sie sich immer bewusst: Die Mitarbeiter*innen im Unternehmen sind zusammen schlauer als der schlauste Experte und wissen gern auch mal über technologische Trends mehr Bescheid als viele vermuten.
  9. Verfolgen Sie einen strukturierten Ansatz, um die 3 Schlüsselfragen zu beantworten: Wo stehen wir mit der IT heute? Wohin wollen wir die IT weiterentwickeln? Wie kommen wir dorthin?
  10. Das Entwickeln zukunftsfähiger IT-Strategien ist keine alleinige Führungsaufgabe. Binden Sie die Kolleginnen und Kollegen mit ein.
  11. Beauftragen oder ernennen Sie eine Person, die den Prozess koordiniert und moderiert. Um zusätzliche Impulse zu bekommen kann dies auch eine erfahrene IT-Beraterin oder IT-Berater sein.

Weitere Impulse erhalten Sie auch im Artikel Strategieentwicklung im 21. Jahhundert.

Fazit

Der traditionelle Ansatz zur IT-Strategieentwicklung, bei dem sich das Top-Management mit seinem Beraterteam zurückzieht und hinter verschlossenen Türen einen strategischen Plan ausarbeitet, hat ausgedient. Es reicht heute nicht mehr aus, die Ergebnisse dieser Arbeit in Form von Powerpoints den Mitarbeiter*innen in Town Hall Meetings zu vermitteln und dann ein bestimmtes Budget festzulegen, damit sie die Strategie umsetzen können. Die IT-Verantwortlichen profitieren bereits von der Beteiligung ihrer IT-Fachkräfte als auch der Anwender*innen in der Analysephase (Wo stehen wir mit unserer IT heute?). Keiner kennt das Unternehmen und die Branche so gut wie sie. Es ist wichtig, sich von alten Denkstrukturen zu lösen, die besagen, dass strategisches IT-Management die hoheitliche Aufgabe des CIOs oder IT-Leiters ist. Man würde das große Potenzial, das in der eigenen IT-Organisation liegt, übersehen, wenn man sich stattdessen auf das Wissen einiger weniger nur verlässt.

Picture by rawpixel.com – www.freepik.com

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar